Von Namur bis Péronnes wo Lilly erneut überwintern wird, ist es nicht weit und einen grösseren Teil der Strecke fahren wir zum zweiten Mal. Daher wird dieser letzte Bericht vor der Winterpause kürzer als üblich.
In Namur lagen wir kurz vor deren Mündung in der Sambre an einem Kai ohne Infrastruktur, dafür mit währschaften Pollern. Namur gefiel uns sehr, es gibt insbesondere eine grosse Zitadelle hoch über der Mündung. Sie kann bequem mit der Luftseilbahn, welche ihre Talstation zweihundert Meter von unserem Liegeplatz hat, erreicht werden. Dies haben wir natürlich ausgenutzt und bei der geführten Tour eine Menge gelernt. Bei schönem Wetter sind wir zu Fuss von dort abgestiegen und über eine Brücke wieder zur Lilly zurückgekommen. Ansonsten lief das übliche Programm ab, Besuch von Sehenswürdigkeiten, Kirchen und so fort. Angelegt und festgemacht hatten wir an einem Dienstagabend, spät für unsere Verhältnisse. Bleiben wollten wir bis Montag früh, so war der Plan. Es zeigte sich, dass an diesem Wochenende ein Musik-Festival in der ganzen Stadt durchgeführt werden würde, was uns zu diesem Zeitpunkt bereits nachdenklich stimmte. Unsere Befürchtungen wurden dann schon in der Nacht von Donnerstag auf Freitag bestätigt, wir waren bereits in der Koje, als wir Schritte auf dem Deck hörten. Der Skipper stieg ins Steuerhaus, um zu sehen, was da los war.
Eine kleine Gruppe junger Menschen stand neben dem Schiff am Ufer, und ein Jüngling musste wohl Eindruck bei den anderen schinden, indem er sich auf das Schiff wagte. Eine junge Frau sah mich im Steuerhaus stehen, ohne Licht und nur schauend. Sie machte ihren mutigen Kollegen mit einer Kopfbewegung auf mich aufmerksam, worauf dieser sich fast zu Tode erschreckte, mit einem gewaltigen Satz von Bord sprang und wie von Furien gejagt davonrannte. Der Rest der Gruppe verkrümelte sich und Ruhe kehrte wieder ein. Auf dem Weg am Kai waren jedoch noch einige Leute, meist in Gruppen unterwegs, es geschah aber nichts mehr Spezielles. Wir versuchten dann dennoch zu schlafen.
Für den nächsten Abend hatten wir in einem Restaurant in der Nähe reserviert und liessen Lilly alleine am Kai liegen. Das Restaurant und auch das Essen waren nichts Besonderes. Besonders war dafür der Anblick, der sich uns bot, als wir uns unserem Schiff näherten, zuerst aus der Distanz gar nicht so gut sichtbar, als sich zwei Gestalten auf dem Oberdeck der Lilly sitzend aus der Dunkelheit schälten. Scheinbar sind in der langen Zeit seit unserer Jugend Anstand und Respekt vor der Privatsphäre und dem Eigentum Anderer auf der Strecke geblieben.
Als wir sie erreichten, sprach der Skipper die zwei jungen Männer an: «Schönes Schiff, gehört das euch?» Nachdem sie diese Frage verneint hatten, meinte der Skipper, aber uns und wir sind nicht besonders amüsiert über euren Aufenthalt auf dem Deck und würden uns freuen, wenn ihr verschwinden würdet. Sie erhoben sich und versuchten uns zu beschwichtigen, sie seien ja nur hier gesessen und hätten geraucht, aber keinen Dreck gemacht, und so fort. Den Ärger des Skippers bemerkend, machten sie sich dann davon.
Dieses unangenehme Erlebnis veranlasste uns am Samstagmittag, die Leinen loszuwerfen und die Sambre zu Berg zu laufen, bevor uns das Musik-Festival noch mit weiteren Überraschungen bedient hätte.
Kaum zweieinhalb Stunden später legten wir hinter einem grossen Hausboot an einem einladenden Schwimmsteg im schönen Floreffe an. Gelegentlich lief ein Frachter vorbei, nicht der Rede wert und ohnehin der Kurve wegen ziemlich langsam. Spezielles gab es nur die Abtei hoch über der Sambre, wir sind durch den Wald auf teilweise recht netten Wegen dort hoch gestiefelt und haben in der dazugehörenden Restauration etwas getrunken.
Nach nur einem Tag sind wir weiter die Sambre zu Berg gelaufen. Kurz vor Charleroi fanden wir einen in der DBA-Datenbank vermerkten Liegeplatz hinter einer hohen Kaymauer. Eine schwere Eisenleiter und ein Poller waren alles, was noch vorhanden war, um festzumachen, aber Lilly war damit vollauf zufrieden. Am anderen Morgen durchquerten wir Charleroi, wobei es noch eine Schleuse zu bewältigen galt, und bogen über Steuerbord auf den Kanaal Charleroi – Brüssel ab; jetzt waren wir wieder auf bekanntem Terrain. Ein Jahr zuvor waren wir auf der Sambre von der anderen Seite, also zu Tal von Frankreich her kommend, in diesen Kanal über Backbord eingebogen. Da wir die Strecke von hier bis zum Winterhafen in Péronnes letztes Jahr schon durchliefen, ersparen wir Ihnen diese Details.
Nur soviel, Übernachtungen im Jachthafen Seneffe, via den immer wieder imposanten Schiffslift Strepy Tieu, nach Mons, Péruwelz, dann zuerst an unserem Winterhafen vorbei auf die Escault nach Antoing den Dieseltank auffüllen und zurück nach Péronnes. Vor Péruwelz wurden wir von einer uns kreuzenden Jacht auf Schweizerdeutsch an gefunkt, sie hatten den Klubwimpel vom Schweizerischen Schleusenschiffer Klub und unsere Flagge am Heck gesehen. Wir plauderten noch bis zum Abbruch der Verbindung über das woher und wohin, wie unter Schifferleuten üblich. Etwas später stiessen wir auf ein Boot, welches offensichtlich in Schwierigkeiten steckte, genauer gesagt dessen Besatzung, bestehend aus drei jungen Männern.
Sie riefen uns beim Näherkommen, ob wir sie ins Schlepptau nehmen könnten, sie hätten etwas Probleme mit der Motorkühlung. Dass wir das bejahten, ist keine Frage, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man in so einer Situation hilft. Wir gingen längsseits und nahmen ihre Leinen und legten sie um unsere Poller. Sie waren zufrieden, dass wir sie bis nach Péruwelz mitnehmen konnten, hier wollten wir übernachten, sie würden versuchen,
aus eigener Kraft bis zur Werft in Péronnes zu kommen. Am anderen Tag, nach dem Tanken, versuchten wir am selben Platz wie vergangenes Jahr anzulegen, was sich leider als zu kurz berechnet erwies. So lagen wir am äussersten Ende des Stegs für diesen Winter. Am gegenüberliegenden Ufer, dort, wo wir schon mehrfach das Motorrad auf- und abgeladen hatten, luden wir auch dieses Jahr ab. Anschliessend wieder auf unseren Platz.
Bis sämtliche Schritte des Einwinterns durchgeführt waren, dauerte es ein paar Tage. Erfreulich war, dass der neue Elektro-Schrank mit Stromzählern in der Mitte des Stegs installiert worden war. Uns wurde die Steckdose Nr.3 zugewiesen. Der Skipper benötigte dennoch zwei zusammengeschlossene Kabel, um über den Winter Landstrom zu haben. Der kleine Elektro-Ofen und das neue Lufttrocknungsgerät brauchen nicht viel, aber die Solarpaneele würden nicht genug liefern können.
Die Heimreise mit dem Motorrad begann mit einem verregneten ersten Tag, an dessen Abend wir ein schönes Hotel in Merzig an der Saar fanden und endete mit einem zweiten Tag mit viel besserem Wetter in unserem Winterdomizil. Die Fahrt war zusammengefasst ein schönes Erlebnis.
Was wir im folgenden Frühling in Péronnes vorfanden und wie es weiterging, erzählt der nächste Bericht.